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Who cares?

Augsburger Friedensfest*21 #Fürsorge

Foto: privat

Man(n) brate seine Eier doch selbst

Was Man(n) tun kann für mehr Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Frauen: Einkaufen, Kochen, Putzen, Kinder zur Schule bringen, Zuhause bleiben wenn die Kinder krank sind, die Oma zum Optiker fahren – Man(n) übernehme die Hälfte der Care-Arbeit.

Es ist eben viel mehr als das „bisschen Haushalt“: Frauen wenden pro Tag im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer.

Unter unbezahlte Sorgearbeit fallen Hausarbeit, Ernährung, Betreuung von Kindern und die Pflege von Familienangehörigen. Diese Arbeit wird oft nicht als „echte“ Arbeit verstanden, nicht entlohnt und für selbstverständlich erachtet.

Jede:r kann seinen*ihren Teil für mehr Verteilung, Wertschätzung und Sichtbarkeit von Care-Arbeit beitragen.

Ein Appell: Man(n) brate seine Eier doch selbst!




Foto: privat

Familiengeschichten

Jeden Tag aufs Neue: Es wird Frühstück vorbereitet, Kinder gefüttert, kranke Menschen umsorgt, Familienangehörige gepflegt, Wäsche gewaschen, Flure geschrubbt, warme Mahlzeiten gekocht, Kinder ins Bett gebracht und dann – dann beginnt am nächsten Tag alles von vorn. Unsere Gesellschaft baut auf diese als Care-Arbeit bezeichneten Tätigkeiten. Ohne sie ginge nichts.

Ein Großteil dieser Arbeiten wird von Frauen erledigt. Immer noch. Aus dem zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2015 ging etwa hervor, dass Frauen in Deutschland täglich circa 52 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit aufwenden als Männer. Diese Differenz wird als Gender Care Gap bezeichnet. Befinden sich in einem Haushalt außerdem Kinder, ist diese Lücke besonders groß. Der zeitliche Mehraufwand liegt hier bei etwa 84 Prozent. Gerade berufstätige Mütter stehen daher oft vor der Frage, wie sie Erwerbsarbeit und Care-Verpflichtungen stemmen können. Für einige besteht die Antwort darin, Haus- und Familienarbeit an eine dritte Person weiterzugeben.

Und auch hier sind es wiederum Frauen, welche diese Aufgaben übernehmen. Meist unterbezahlt, meist unbeachtet, oft illegal. In einigen Fällen handelt es sich dabei um Mitglieder der eigenen Familie: Schwestern, Großmütter, Schwägerinnen. Die Sorge um und für andere prägt zahlreiche Familiengeschichten und weibliche Biografien.

Um diese Verflechtungen zu verstehen, habe ich mich auf die Spur einer Frau begeben, die ich nie kennengelernt habe. Einer Frau, die mir fremd ist und die trotzdem mein Aufwachsen beeinflusst hat.

Kinder, die nicht ihre sind. Eine Familie, zu der sie nie so richtig gehört. Ein Haushalt, für den sie sorgt. Die Geschichte meiner Spurensuche könnt ihr auf unserem Blog verfolgen.




Foto: privat

Trockene Hände

Trockene Hände. Trockene, gerissene Hände. Schmerzen im Rücken. Nisu vrijedne njege.

Es ist die Mühe dahinter. Früh aufstehen an einem Sonntag. Mit dem Auto fahren, mit dem Fahrrad fahren. Der Geruch nach Putzmittel. Geblieben sind trockene Hände und ein kaputter Rücken.




Foto: privat

Socken auf der Couch

Eine Wohnung, zwei Menschen, die darin leben. 
Er geht arbeiten, sie ist Studentin  
mit Nebenjob, 
Partnerin, macht den Haushalt.  

Die Jeans neben dem Wäschekorb.  
Der Teller mit der halb geschmolzenen Butter auf dem Wohnzimmertisch. 
Den Wocheneinkauf erledigen, 
allein.  
Socken auf der Couch.  

Küche, Kinder, Kirche soll es sein für sie,  
sagt er.  

Erwartungen von außen strömen auf sie ein,  
ihre Welt wird klein,  
60 Quadratmeter zur freien Entfaltung.  

Ein Käfig  
ihre Gedanken, ihre Träume.  

Ihr Studium,  
das braucht sie nicht,  
sagt er,  
der Mann im Haus verdient das Geld,  
sie sorgt sich um den Rest.  
Sorgen.  

Sich sorgen  
um den Haushalt,  
das Essen,  
warmes Essen am Abend, wenn er nach Hause kommt. 

Dafür sorgen,  
dass alles stets zu Hause ist für den täglichen Bedarf,  
der Kühlschrank voll, 
Duschgel und Rasierschaum auf den Einkaufszettel schreiben, 
schmutzige Wäsche zusammenklauben, für gebügelte Hemden sorgen, 

ein Terminkalender sein, sich um ihn sorgen, ihn versorgen.  

Sich um ihn kümmern.  

Warum sie all das macht, fragst du dich?  
Warum sie all das macht, fragt sie sich.  

Eine Antwort darauf gibt es nicht.  
Sie kann nicht fliehen, kann nicht raus,  
raus aus ihrem Kopf, den Gedanken, seinem Einfluss,  
eingewoben in sein Netz, sie funktioniert,  
sein Leben ist ihr Leben. 

Das Leben: Frau muss sich sorgen. 

„Man muss sich um ihn sorgen”,  
sagt seine Mutter, 
„Du sorgst dich nicht richtig um ihn,  
bist so ganz anders als ich es früher war”, seine Oma.  
„Sorgst du dich um mich?“, 
fragt er, 
„Du sorgst dich nicht genug um mich“, 
sagt er, 
und wer sorgt sich um mich, 
denkt sie. 

So funktioniert sie, 
morgens, mittags, abends, nachts.  

Am nächsten Morgen liegen sie da,  
zum wiederholten Mal,  
die Socken auf der Couch.  




Foto: privat

Putzfrau im Cabrio? 

Meine Mutter arbeitete für eine Weile als Putzfrau für eine Abnehmpraxis. Das war eine schwierige Zeit für meine Familie, weil mein Vater auf einen Schlag arbeitslos wurde und meine Mutter neben der üblichen Arbeit im Haushalt mit zwei Kindern auch noch arbeiten musste. Sie ist nicht in Deutschland geboren, besitzt keinen anerkannten Schulabschluss, daher ist die Beschäftigung als Putzkraft die einzige, für die sie qualifiziert erscheint.  

Meine Mutter fuhr selten mit ihrem Auto zur Arbeit, einem gelbem Golf Cabriolet. Aber als sie es eines Tages doch tat, war ihr damaliger Vorgesetzter ganz entzückt über das Auto, das auf dem Firmenparkplatz stand. Er fragte in die Runde seiner Angestellten und Kundschaft, wer denn der Fahrer oder die Fahrerin sei. Als eine Kollegin ihn darauf hinwies, dass es meiner Mutter gehörte, war er regelrecht empört. Denn dass eine nicht-deutsche Frau, die als einfache Putzkraft angestellt war, so ein Auto fahren würde, wäre ihm wohl niemals in den Sinn gekommen. Okay, es ist kein Porsche, aber ein Blickfang ist das Cabriolet trotzdem. Und darauf ist meine Mutter sehr stolz.  

Geringe Wertschätzung für geringes Gehalt – so könnte man den Berufsalltag einer Reinigungskraft in Deutschland bezeichnen. Ungefähr 9 Euro brutto pro Stunde verdient eine nicht ausgebildete Reinigungskraft ohne Berufserfahrung. 2019 waren in Deutschland rund 600 000 Menschen als Reinigungskraft beschäftigt, die meisten von ihnen – etwa 83 Prozent – sind Frauen*1. Nicht selten kommt es vor, dass Reinigungskräfte, die in privaten Haushalten angestellt sind, illegal arbeiten2. So oder so bleibt die Arbeit von Reinigungskräften stets im Verborgenen und wird auch nur in den seltensten Fällen sichtbar gemacht. Was sagt das über die Gesellschaft aus, in der wir leben? Gerade die Pandemie hat deutlich gezeigt, wie wichtig Lohnarbeit und Reinigungskräfte sind, daher muss ihnen auch mehr Wertschätzung entgegengebracht werden.  

[1] https://de.jobted.com/gehalt/reinigungskraft#:~:text=Eine%20Putzfrau%20mit%20weniger%20als,15%2C50%20%E2%82%AC%20erwarten (zuletzt aufgerufen am 31.07.2021) 

[2] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/viel-aufwand-fuer-wenig-geld-warum-so-viele-putzfrauen-schwarz-arbeiten/13981254.html (zuletzt aufgerufen am 31.07.2021) 




Fotos: privat

Baba

Ich möchte Care-Arbeit in meinen persönlichen Kontext stellen. In meinen persönlichen Kontext von Migration. Die Geschichte einer Frau. Besser noch, die ihrer Zieh-Oma.

Ich möchte die Zieh-Oma darstellen auf diesem Foto, denn ihre Geschichte ist die eines Elternteils, ohne je Kinder geboren zu haben. Sie symbolisiert die Aufgabe, die einer Frau* zugesprochen wird und wurde: Kinder erziehen. Eine Arbeit der Fürsorge.

Auf dem Originalfoto ist links im Bild diese Frau zu sehen, rechts daneben ihre Zieh-Oma. Die beiden waren nicht verwandt, sie war in die Familie eingeheiratet, auch wenn nicht sehr nah. Trotzdem erzog sie die Frau, als Ersatz ihrer Oma. Trotzdem war sie ihre „Baba“.

Sie leistete diese Care-Arbeit, während sie einen Bauernhof führte, sich um die Tiere und Pflanzen kümmerte. Sie musste sie leisten, weil die Mutter der Frau in Deutschland war, als ‚Gastarbeiterin‘, alleinerziehend – zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt. Diese Mutter verdiente Geld für ihr Kind, die Frau. Die Mutter migrierte für dieses Geld und ließ einen Teil ihrer Familie zurück. Nije imala izbora?!

Die Leben der Mutter und der Baba der Frau sind verwoben. Verwoben durch die Sorge um ein Kind. Und ohne diese Für-Sorge wäre ich heute nicht hier und könnte diesen Text schreiben. Ich bin dankbar für diese Care-Arbeit. Ich bin dankbar dafür, dass ich auch eine solche Care-Arbeit erfahren durfte.

Es geht mir hier nicht darum, zu betonen, dass die Zieh-Oma der Frau dazu gezwungen wurde, ein Kind zu erziehen. Und es geht mir auch nicht darum, das Leben dieses Menschen zu beschönigen, ihre Fürsorge zu beschönigen. Es geht mir darum, zu zeigen, dass auch so Arbeit aussehen kann. Und ich möchte bewirken, dass auch diese Arbeit anerkannt wird. Dass auch diese Arbeit gesehen wird. Und dass die Ursachen und Konsequenzen davon gesehen werden.




Foto: pixabay

(An)kämpfen – Erheben – Aufblühen 

Who cares?  

Rassismus. Macht. Privilegien. Verwoben im Konstrukt der ‘Care-Arbeit’.  
Die Beteiligung unseres Kollektivs Postcolonial Realities am Kulturprogramm zum Augsburger Hohen Friedensfest zum Anlass nehmend, erhebe ich meine und wir unsere Stimmen.   

Als Frau  
bin ich betroffen  
– vom Diskurs.   
Vorherrschende Paradigmen  
und Narrative  
nehmen direkten Einfluss  
auf meine Lebensrealität.  
Who cares? 
Na – ICH!  
 
Was mich aufwühlt ist die Art und Weise wie über Care-Arbeit und Fürsorge gesprochen wird. Wie der Diskurs geführt wird, wer zu Wort kommt, gehört wird und wer eben nicht. Was thematisiert wird, was fokussiert wird und WIE!  
Und was damit unter den Tisch fällt. Wer ausgeklammert wird – absichtlich (?) – vergessen (?).  
Ein Gefühl des Stillstands.  
Versprechen die verhallen, viele leere Worte – auf die keine Taten folgen, keine Handlung. Wandel? 

Kollektiver Konsens – in der Theorie… 

Ich ziehe nicht „die Politik“ in die Verantwortung – ich setze bei dir, bei mir, bei jedem einzelnen Mitglied ‚unserer Gesellschaft‘ an. Denn eines ist klar: Wir sind die Politik!  
und wir haben kollektiv Macht, Wandel herbeizuführen. Den vorherrschenden Diskurs zu stören. Paradigmen zu ändern. Narrative neu zu erzählen. 

Der aktuelle Stellenwert von Care-Arbeit ist in meiner Wahrnehmung ein Symptom für die Krankheit ‚unsere Gesellschaft‘. Priorisiert wird nicht etwa der Mensch… vielmehr ökonomisches Kapital.  Profit vor Mensch(lichkeit).  
 
@timurs.time schreibt dazu auf Instagram:  
“In unserem Verständnis ist Arbeit einfach ein Synonym für Lohnarbeit. Arbeit hat aber viele Gesichter: Hausarbeit, Care-Arbeit, ehrenamtliche Arbeit und so weiter. Das alles sind Tätigkeiten, die Berücksichtigung finden müssten.  
Wenn wir der Lohnarbeit nur den allgemeinen Titel der Arbeit verleihen, klammern wir alle anderen Tätigkeiten aus. Als hätten wir nur die Lohnarbeit und der Rest wäre selbstgewählte Freizeit. Das macht alle Tätigkeiten unsichtbar, die davor, danach und währenddessen verrichtet werden. Es degradiert die Leitungen der Eltern und Erziehenden, es degradiert Community Work usw.  
Dass für uns nur Lohnarbeit = Arbeit ist, ist nicht zuletzt auf unsere kapitalistische Sozialisation zurückzuführen. Schon bei Marx wird klar: Menschen müssen in diesem System ihre Arbeitskraft verkaufen, um ihren basic Lebensunterhalt zu sichern. Im Kapitalismus scheint Lohnarbeit also natürlich die wichtigste Arbeit zu sein, da mit Care-Arbeit oder ehrenamtlicher Arbeit keine Miete bezahlt werden kann.”  
 
Fangen wir – alle gemeinsam aktiv an, dieses Paradigma zu ändern. Mensch vor Profit. Fangen wir an den MEHR-Wert; die so notwendigen, positiven Aspekte FÜR ‚unsere Gesellschaft‘ hervorzuheben, zu stärken und vor allem mehr WERT-zu-SCHÄTZEN! 

Gesellschafts-Für_Sorge sozusagen. Care-Arbeit für alle!  

Wir – alle – sind Konstrukteur*innen der gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der wir leben. Unserer Wirklichkeit, unserer Gesellschaft.  

„Fürsorge ist allgegenwärtig, sie betrifft jede und jeden. Im Idealfall hat man sie zu Beginn des eigenen Lebens bedingungslos erfahren. Wenn es im weiteren Verlauf passt, dann sorgt man selbstverständlich für andere, für Kinder und Angehörige etwa. Oft aber passt es nicht. Das Spannungsverhältnis von Kind und Karriere ist nur ein Beispiel für die Möglichkeiten und Grenzen persönlicher Problemlösungen. Aber Fürsorge ist keine individuelle Angelegenheit. Sie wird zwar individuell verrichtet, steht jedoch im Dienst der Allgemeinheit. Ohne Fürsorge ist eine Gesellschaft nicht lebensfähig und erst recht nicht lebenswert.“ (Fischer 2015: 40) 

Die Frage ist also ganz leicht: In welcher Gesellschaft möchtest DU leben?  

Fischer, Ute (2015): Fürsorge als gesellschaftliche Aufgabe denken. Sozial Extra 39, 40-43. Online unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s12054-015-0008-6  

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