Glossar

Unser Glossar beinhaltet Kernbegriffe des Blogs. Es soll zum Einen klären, was wir konkret meinen, wenn wir diese Begriffe verwenden. Und zum Anderen, kann Euch das Glossar natürlich auch losgelöst von unserem Blog helfen, bestimmte aufgeführte Phänomene und Konzepte im Bereich der postkolonialen Studien zu erklären.

Affirmative Action – Afrofuturismus Anerkennungsgerechtigkeit – Cognitive Justice Critical Whiteness – Dekolonialisierung – Digitaler Kolonialismus Dominanzgesellschaft – Empowerment – Epistemische Gewalt Exotisierung – Intersektionalität – Kolonialismus, interner Kolonialität – Kulturimperialismus – Konformitätsdiskriminierung Multikulturalität – Multikollektivität – Othering – POC Postkolonialismus – Provenzienzforschung – Racial profiling – Rassismus, positiver, sekundärer – Restitution Soziale Mobilität Stereotyp Umweltrassismus White Privilege White Saviorism – Zivilcourage

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Affirmative Action 
bedeutet die aktive Unterstützung von strukturell benachteiligten sozialen Gruppen, um gegebenen Chancenungleichheiten in den Bereichen Bildung und Erwerbstätigkeit entgegenzuwirken.
Afrofuturismus
beschreibt eine Ästhetik, die eine stärkere Repräsentation afrikanischer und afroamerikanischer Schauspieler*innen, Künstler*innen und Personen des öffentlichen Lebens in verschiedenen Kunstformen anstrebt.
Weiterlesen unter: Afrofuturism.
Anerkennungsgerechtigkeit 
„ist die partizipative Anerkennung aller Menschen, so dass niemand strukturell, kulturell und individuell diskriminiert wird. Dabei werden Menschen als gesellschaftliche Akteur_innen aufgefasst, die für ihr eigenes Handeln als Individuum oder in einer Gruppe, sich selbst und der Gesellschaft gegenüber Verantwortung übernehmen.“ 
Aus: Czollek, Leah Carola/ Weinbach, Heike (2008): Lernen in der Begegnung: Theorie und Praxis von Social Justice-Trainings, IDA e.V. (Hrsg.), Bonn. 
Cognitive Justice
geht von der Annahme aus, dass der Besitz und die Anerkennung von Wissen maßgeblich globale Machtstrukturen beeinflusst. Der Ansatz fordert daher eine gerechte Koexistenz von nicht-westlichen und westlichen Wissensformen. (Quelle: IGI Global)
Critical Whiteness  (dt. Kritisches Weißsein)
nimmt das Weißsein als soziale Kategorie kritisch in den Blick und setzt es mit struktureller Ungleichheit in einen Dialog gebracht. Der Fokus liegt also auf der Erkennung und Untersuchung des White Privilege und seiner Implikationen für strukturellen Rassismus.
Dekolonialisierung, oder Dekolonisation, Dekolonisierung, Entkolonisierung,bezeichnet den „Prozess der Auflösung der europäischen Kolonialreiche durch Entlassung ehemaliger Kolonien in die Unabhängigkeit bzw. durch Erkämpfung der Unabhängigkeit.“ (Quelle: Spektrum)
Digitaler Kolonialismus
bezeichnet die kolonialen Strukturen innerhalb der weltweiten digitalen Informationsflüsse. Dabei wird auf die Verlegung und Vernetzung von Internetanschlüssen und Telefonkabeln, sowie der damit verbundenen ungleichen Beteiligung an der globalen Wissensproduktion entlang von Nord-Süd- Machtstrukturen verwiesen. (Quelle: Goethe.de und decolonizing the internet)
Dominanzgesellschaft, oder Dominanzkultur,
beschreibt eine Gesellschaft, deren Ordnungssystem von komplexen Machtstrukturen gekennzeichnet ist. Machtdifferenzen und Herrschaftsbedingungen sind historisch gewachsen und eröffnen soziale Kategorien entlang der Dichotomien arm/ reich, weiß/ Schwarz, Frau/ Mann usw.
Empowerment (dt. Selbstermächtigung)
beschreibt einen Prozess der Selbstermächtigung benachteiligter sozialen Gruppen, die „ ihre eigenen Kräfte entwickeln und Fähigkeiten nutzen, um an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilzuhaben und so ihre Lebensumstände und Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern.“ (Quelle: IDA)
Epistemische Gewalt
beschreibt die unreflektierte und willkürliche Übertragung von westlichen Konzepten, Normen und Begriffen auf ehemalige Kolonialgebiete. Ein klassisches Beispiel ist die Benennung und Kartierung von Kontinenten wie z.B. „Amerika“ nach dem italienischen Entdecker Amerigo Vespucci. Die Zuschreibung dieses Namens fand übrigens durch den Freiburger Martin Waldseemüller statt.
Exotisierung 
ist eine Form des Othering und meint die stereotype Zuschreibung ‚positiver‘ Attribute. Über Stereotypisierung wird ein Gefälle konstruiert, das Differenz und Fremdheit auflädt. Exotisierung kann sich in positiver und negativer Diskriminierung äußern.
Weiterlesen unter Ich hatte den Exotenbonus (Gerritzen , Die Zeit, 2018).
Siehe auch Othering.
Intersektionalität
ist eine Theorie von Kimberle Crenshaw, die Machtungleichheiten anhand multipler Axen (wie z.B. race, class, gender) situiert, welche sich gegenseitig verstärken können. Daher sind soziale Kategorien nicht separat zu betrachten, sondern als Gefüge, in denen bspw. Mehrfachdiskriminierungen als Folge der Wechselwirkungen zwischen den Kategorien auftreten können.
Weiterlesen in Walgenbach, Katharina (2012): Intersektionalität – eine Einführung. http://portal-intersektionalitaet.de/theoriebildung/schluesseltexte/walgenbach-einfuehrung/.
Kolonialismus
bezeichnet „die staatlich geförderte oder betriebene Besetzung eines Gebietes und die Fremdherrschaft über die dort ansässige Bevölkerung […] . Historisch lag die Hochzeit des Kolonialismus zwischen dem 15. und dem 20. Jahrhundert, als europäische (und später US-amerikanische und australische) Menschen begannen, die Afrika, Teile Asiens und Amerika zu besiedeln und auszubeuten. Dabei unterdrückten, versklavten und töteten sie die lokale Bevölkerung und legitimierten dies mit einer rassistischen Ideologie, die ihre angebliche biologische, zivilisatorische und religiöse Überlegenheit behauptete. Auch das Deutsche Kaiserreich hatte mehrere Kolonien in Asien und Afrika. Bis in die 1970er Jahre hinein weigerten sich europäische Regierungen, den kolonisierten Gebieten ihre Unabhängigkeit zuzugestehen.“ (Quelle: IDA) Bis heute existieren verschiedene europäische und nicht-europäische Formen des Neokolonalismus.

> Kolonialismus, interner
bezeichnet Abhängigkeiten, die “zwischen dominanten ‘Zentren’ und abhängigen ‘Peripherien’ innerhalb von Nationalstaaten oder territorial zusammenhängenden Landimperien” bestehen1. Das Konzept des internen Kolonialismus ist nicht unumstritten und gilt für zahlreiche ideologische Strömungen als Tabuthema. Pablo González Casanova schreibt hierzu: “Heute wäre jede kritische Analyse der weltweiten und nationalen Analyse falsch, die internen Kolonialismus und seine Verbundenheit mit internationalem und transnationalem Kolonialismus nicht inkludiert.
1 Osterhammel, Jürgen (1995): Kolonialismus. Geschichte, Folgen, Formen, München, S. 22.
2 González Casanova, Pablo (2006): Colonialismo interno [una redefinición]. In: Boron, A.A., Amadeo, J., González, S. (eds.): La teoría marxista hoy: problemas y perspectivas, Buenos Aires, Pp. 409-434, hier S. 472.
Kolonialität
beschreibt das Fortbestehen kolonialer Handlungsstrukturen und Denkmuster auch nach Ende des formalen Kolonialismus. Der Begriff wurde Ende des 20. Jahrhunderts in Lateinamerika entwickelt. In der Rezeption um Kolonialität gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Diskursen, welche in zahlreichen Weltregionen und Sprachen sowie zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfanden bzw. stattfinden. Ihm immanent sind u.a. Modernisierungs- und Dependenztheorien. Erstere begreifen unter “Modernisierung” hauptsächlich industriellen Fortschritt und betonen hierbei eine positive Rolle westlicher Industrienationen. Dependenztheorien fußen auf dem Verständnis, dass wohlhabende Staaten für den Aufbau und das Fortbestehen ihres Reichtums abhängige Staaten benötigen. Diese Staaten der Peripherie sind insofern in das (marktwirtschaftliche) Weltsystem integriert, als dass sie kostengünstige Arbeitskräfte, natürliche Ressourcen sowie Absatzmärkte stellen. Ein aktueller Ansatz in der Dependenztheorie ist die Weiterentwicklung und Differenzierung der Kolonialität in eine Kolonialität der Macht, des Wissens und des Seins.
Vgl. Quijano Obregón, Aníbal (2016): Kolonialität der Macht, Eurozentrismus und Lateinamerika, Wien.
Kulturimperialismus
bedeutet die Verbreitung der Kultur einer dominanten Gruppe. Vergleichbar mit dem Prozess der Kolonialisierung werden hierbei kulturelle Werte und Normen der dominanten Gruppe unter Zwang der anderen Gruppe auferlegt, wodurch deren eigene Kultur verdrängt wird.
Kulturimperialismus
bedeutet die Verbreitung der Kultur einer dominanten Gruppe. Vergleichbar mit dem Prozess der Kolonialisierung werden hierbei kulturelle Werte und Normen der dominanten Gruppe unter Zwang der anderen Gruppe auferlegt, wodurch deren eigene Kultur verdrängt wird.
Multikollektivität
beschreibt die Idee, dass Menschen stets mehreren Kulturen angehören. Sie sind also Teil verschiedener Kollektive.
Weiterlesen in Rathje, Stefanie: Multikollektivität. Schlüsselbegriff der modernenKulturwissenschaften, in: Stephan Wolting: Kultur und Kollektiv. Festschrift für Klaus P. Hansen. S. 39-60, Berlin, 2014.
Multikulturalität
meint das gesellschaftliche Zusammenleben verschiedener Kulturen. Kulturen werden hier gruppenbezogen verstanden, die kollektive Identität stiften und nach außen grenzenziehendwirken.
Othering
wird zunächst in einer „Wir“- „Ihr“ Dichotomie manifest, die Menschen in eine eigene und eine fremde oder andere Gruppe unterscheidet. Basierend auf Differenzerwartungen werden fundamentale Gegensätze konstruiert und hierarchisierend bewertet.
Person bzw. People of Color (POC)
ist eine Selbstbezeichnung und ein analytischer Begriff für nicht-weiße Menschen. Einerseits verdeutlicht der Begriff, das diverse von der weißen Gesellschaft marginalisierte Gruppen und Communities in ihren Erfahrungen von rassistischer Diskriminierung und historischer Unterdrückung zusammenstehen. Als Eigenbezeichnung repräsentiert der Begriff eine Wiederaneignung der einst geraubten Definitionsmacht.

> BIPoC
ist ein Akronym aus Black, Indigenous und People bzw. Person of Colour. BIPoC spielt hierbei nicht auf die Hautfarbe einer Person an, sondern auf die Rassismuserfahrungen der Menschen und die damit einhergehende gesellschaftspolitische Position.
„We use the term BIPOC to highlight the unique relationship to whiteness that Indigenous and Black (African Americans) people have, which shapes the experiences of and relationship to white supremacy for all people of color within a U.S. context“(The BIPoC Projekt).
Der Begriff kommt aus dem US-amerikanischen Raum und kann somit nicht ohne Weiteres auf den deutschsprachigen Raum übertragen werden, da es sich um eine gesellschaftspolitische Konstruktion handelt, welche wandelbar ist. Deshalb muss stets die Geschichte des jeweiligen Landes oder der jeweiligen Region mit beachtet werden.
Postkolonialismus
besagt, dass in Zeiten des Kolonialismus konstruierte Gesellschaftsordnungen und Machtstrukturen bis heute nachwirken. Das Konzept beschäftigt sich demnach mit den Implikationen der europäischen Expansions- und Kolonialgeschichte für heutige Gesellschaftsrealitäten. Dabei werden historische Verflechtungen der Kolonialisierungsprozess in den Blick genommen, um heutige zwischenstaatliche Beziehungen sowie gesellschaftsstrukturelle Machtverhältnisse und Asymmetrien kritisch zu beleuchten.
Provenzienzforschung
trägt zur Klärung von Erwerbshintergründen und ehemaligen Besitzverhältnissen kultureller Objekte bei, um mögliche Unrechtmäßigkeiten aufzudecken. Die Herkunftskontexte von Kulturgütern in europäischen Museen und ethnologischen Sammlungen sind oft ungeklärt, was die Provenienzforschung zu ändern versucht, um eventuelle (koloniale) Unrechtskontexte transparent zu machen und entsprechend mit den Kulturgütern zu verfahren.
Siehe Restitution.
Racial profiling
ist ein Vorgehen der Polizei (oder anderer Institutionen), das ohne konkreten Verdacht verstärkt sichtbare Minderheiten (POC) kontrolliert. Diese Praxis ist in Deutschland verboten, wird aber dennoch beobachtet. Dahinter stecken bestimmte rassistisch-stereotype Vorannahmen über Herkunft und Aufenthaltsstatus oder Kriminalität.
Rassismus 
ist eine Ideologie, die auf der Idee von Rassifizierung aufbaut und folglich Menschen in ‚Rassen‘ unterscheidet und hierarchisiert. Rassismus äußert sich in Form von Diskriminierung als gesellschaftliche Praxis, die historische Machtstrukturen legitimiert und reproduziert. (Vgl. Kulturshaker)

> Rassismus, positiver, oder positive Diskriminierung,
meint die Bevorzugung oder Sonderbehandlung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens usw.
Siehe auch Exotisierung.

> Rassismus, sekundärer
meint nach Sozialarbeiter und Rassismusforscher Claus Melter, „die Abwehrhaltung rassistisch nicht diskreditierbarer Menschen dagegen, Rassismuserfahrungen zu thematisieren, Rassismus als gesellschaftliche Normalität anzuerkennen, sich mit Rassismusvorwürfen reflektiert auseinanderzusetzen und Verantwortung für ausgeübte Rassismen und die Unterbrechung von Rassismus zu übernehmen.“ (Quelle)
Restitution (hier: in der Provenienzforschung)
bedeutet die Rückgabe von oder Entschädigung für in der Vergangenheit unrechtmäßig erworbene Kulturobjekte.
Siehe Provenienzforschung.
Soziale Mobilität
bezeichnet die Bewegung zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Milieus oder Schichten. Je nach Eigenschaften wird man einem sozialen Milieu zugeordnet. Durch die Veränderung dieser Eigenschaften erfolgt eine erneute Einordnung: ‚Sozialer Aufstieg‘ bedeutet demnach der erworbene Zugang zu einem vorteilhaften Milieu. Der Verlust von Kapital kann in ‚sozialem Abstieg‘ und somit der Beschränkung auf ein benachteiligtes Milieu resultieren.
Weiterlesen unter „Wer unten ist bleibt unten“.
Stereotyp
ist ein vereinfachendes, festes Bild von einer Personengruppe, der so kollektiv (positive oder negative) Eigenschaften zugeschrieben werden. Diese Form der Kategorisierung ganzer sozialer Gruppen reduziert Komplexität und ist ein in unseren Gesellschaften verbreitetes Phänomen. Stereotype werden meist in Sozialisationsprozessen erlernt. Sie zu kennen, heißt nicht automatisch, dass ihnen zugestimmt wird, aber sie beeinflussen unsere Meinungen über Personen(-gruppen) und können sich in Form von klischeehaften, diskriminierenden Bildern oder Vorurteilen äußern.
Weiterlesen in Walter Lippmann. „Public Opinion“, Chapters VI-VIII (1922).
Umweltrassismus
versucht die ungleiche Verteilung zwischen Verursachenden und Leidtragenden von Umweltbelastungen ausgehend von kolonialen Strukturen zu erklären. Gleichzeitig problematisiert der Ansatz den Ausschluss bestimmter ethnischer Minderheiten bei Klimadiskussionen.
Weiterlesen in Watzal, Ludwig: Ökologische Gerechtigkeit APuZ 24/2007 (Letzter Aufruf 04.06.2020)
White Privilege  (dt. Weißsein als Privileg)
beschreibt ein Gefüge unreflektierter, nicht-erworbener Privilegien (Vorteile, Selbstverständlichkeiten und Ansprüche), die weißen Menschen verliehen werden. Sie profitieren generell unbewusst von diesen Privilegien.
Weiterlesen in Peggy McIntosh. “White Privilege and Male Privilege: A Personal Account of Coming to See Correspondences Through Work in Women Studies,” qtd. in Racial Equity Resource Guide.
White saviorism (dt. weißes Heldentum)
fokussiert die Problematik und die oft unreflektierten Konsequenzen von privilegierten „weißen Rettern“ (engl. „white saviors“) in der Entwicklungszusammenarbeit. Oft geht das wohlwollende Engagement mit einer Selbstinszenierung in den sozialen Medien, einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und einer Exotisierung der jeweiligen Anwohner einher.Die Online-Kampagne @NoWhiteSaviors will auf diese Darstellungsweise aufmerksam machen.
Siehe Exotisierung
Zivilcourage
ist eine Form solidarischen Handelns, die das Eingreifen in einer von Machtunterschieden geprägten Situation zur Unterstützung und / oder Verteidigung einer (situativ, strukturell) benachteiligten Person beschreibt.

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