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Über uns

Eine Selbstpositionierung

Die für uns essenziellsten Fragen vorweg:

Wer sind wir? Und wo stehen wir innerhalb der Gesellschaft?

  • Wir sind sechs Studentinnen.
  • Wir sind in Deutschland aufgewachsen und haben einen deutschen/europäischen Pass.
  • Wir haben alle eine weiße Hautfarbe.

Dies sind natürlich nur ein paar Gemeinsamkeiten. Damit ihr uns noch ein bisschen besser kennenlernen könnt und um euch einen persönlichen Einblick für eine grobe Orientierung hinsichtlich unserer subjektiven Perspektive zu geben, haben wir individuelle Selbstpositionierungen verfasst, die ihr weiter unten auf der Seite findet. Allerdings sind wir bereits durch diese Merkmale Teil einer weltweit extrem privilegierten Gesellschaftsgruppe. Denn dadurch werden uns Türen geöffnet, Chancen angeboten und weltweite Wege ermöglicht, die anderen Personen verschlossen bleiben. Unsere Privilegien sind dabei keineswegs natürlich, sondern durch hegemoniale und koloniale Machtstrukturen gewachsen, auf die wir in diesem Blog aufmerksam machen wollen.

Wir kommen aus Europa, dessen Einwohner*innen aktuell nur ca. 10 % der gesamten Weltbevölkerung ausmachen. Trotzdem bestimmt bis heute die sog. “Westliche Welt” global unter anderem idealtypische soziale, kulturelle und wissenschaftliche Denktraditionen. Wir wollen fragen:

Wie kommt das? Und was können wir tun?

Entsprechend unserer Auffassung eines kritischen wissenschaftlichen Arbeitens sind wir uns der Unvollständigkeit unseres Wissens und der Subjektivität aller Mitwirkenden bewusst. Dennoch und vielleicht auch gerade deshalb möchten wir zu einer fairen Diskussion und neuen Denkanstößen anregen.

Auf unserem Instagramkanal @postcolonial.realities gibt es passende visuelle Beiträge zu den einzelnen Texten.

Herzlichen Dank an alle Autor*innen!

Euer Blogteam

Mascha

Liebe Leser*innen, mein Name ist Mascha und ich studiere momentan an der Universität Augsburg den Master English and American Studies mit Schwerpunkt Literary Studies. Bereits im Bachelor habe ich mich viel mit Literatur beschäftigt und der Frage, inwieweit Literatur die Gesellschaft widerspiegelt und welche Verantwortung Kunst im Allgemeinen gegenüber der Gesellschaft hat. Im Bachelor habe ich mich dabei hauptsächlich mit der „klassischen“ englischen Literatur auseinandergesetzt, der von Shakespeare, Dickens und mit der romantischen Poesie von Wordsworth oder Keats, welche immer noch einen großen Einfluss auf die Weltliteratur haben. Im Laufe meines Studiums ist mir aber zunehmend bewusst geworden, dass sich jene Weltliteratur im klassischen Sinn ausschließlich aus den Werken weißer Männer zusammensetzt. Demnach habe ich Joseph Conrads „Heart of Darkness“ als das seminale Werk kolonialer Literatur verstanden und mir überhaupt keine Gedanken darum gemacht, wie tief koloniale Strukturen in Literatur und Gesellschaft verwurzelt sind. Dieses Verständnis hat sich im ersten Mastersemester geändert, als ich im Rahmen eines Kurses zu postkolonialer, anglophoner Weltliteratur zum ersten Mal „Things Fall Apart“ von Chinua Achebe gelesen habe. In diesem Buch erzählt Achebe, wie weiße Missionar*innen die Kultur und Traditionen der Igbos zerstört haben. Während Conrad die indigenen Menschen als „wild“ und „unzivilisiert“ darstellt und als nichts mehr als „black shadows lying in the greenish gloom“ bezeichnet, sind Achebe’s Igbos ein funktionierendes, koheräntes und vor allem stolzes Volk – bis die Missionar*innen aufgetaucht sind und alles zerfallen ist.

Ich habe erkannt, dass die Weltliteratur diverser sein muss. Es gibt eben nicht nur die eine Geschichte, die aus weißer Perspektive erzählt wird. Es sind die Geschichten von Adichie, Achebe oder Rushdie, die gegenwärtige Literatur prägen und unsere Gesellschaft repräsentieren. Sie setzen sich mit rassistischen Strukturen auseinander, mit Hybridität und der Frage nach der eigenen kulturellen Identität in einer postkolonialen Welt. Jene Autor*innen stehen jedoch immer noch im Schatten des Kanons der klassischen Literatur. Das Lesen von postkolonialer, anglophoner Weltliteratur hat mich dazu bewegt, mich mit meiner eigenen kulturellen Identität auseinanderzusetzen, da ich selbst Migrationsbiografie besitze. Zum einen bin ich privilegiert, weil ich nun mal in Deutschland geboren wurde. Ich bin getauft, weil das nun mal in Deutschland selbstverständlich ist, auch wenn ein Elternteil nicht christlich ist. Ich bin hier zur Schule gegangen und studiere nun an der Universität. Zum anderen haben mich rassistische und diskriminierende Erfahrungen mein Leben lang begleitet. Und trotz meiner Bikulturalität bin ich extrem weiß sozialisiert worden, weil ich dadurch am ehesten von dem System, in dem weiße Menschen überlegen sind, profitiere. Das hat jedoch dazu geführt, dass meine Identität zu meiner teils thailändischen bzw. muslimischen Herkunft verloren gegangen ist. Ich verspüre aber seither auch den Drang, mich mit diesem Teil meiner Herkunft zu identifizieren, weil der nun mal Teil von mir ist.

Neben meiner Motivation, rassistische und koloniale Strukturen in unserer Gesellschaft aufzudecken und aufzubrechen, möchte ich auf Postcolonial Realities eine Plattform schaffen, auf welcher vor allem marginalisierte Gruppen zu Wort kommen können und ihre Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung austauschen können.

Rebekka

Liebe Leser*innen, mein Name ist Rebekka und ich studiere derzeit an der Universität Augsburg den Masterstudiengang Kunst- und Kulturgeschichte mit Schwerpunkt Europäische Ethnologie/Volkskunde[1].

„Wir alle können nichts für die Welt, in die wir hineingeboren wurden. Aber jede und jeder kann Verantwortung übernehmen und diese Welt mitgestalten.“ – Tupoka Ogette

Ein zentraler, und vermutlich auch der beschwerlichste, Bestandteil in der Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte, Postkolonialismus und diskriminierenden, rassistischen Strukturen in unserer Gesellschaft ist die Reflexion der eigenen Position in eben jener Gesellschaft und der Privilegien, die damit einhergehen. Ich bin eine weiße junge Frau, aufgewachsen in Deutschland, Bayern. Meine gesamte Kindheit und Jugend hatte ich ein Zuhause, in welches ich zurückkehren konnte, hatte dort eine Familie, die mich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit wachsen ließ. Ich konnte die Schule besuchen, machte mein Abitur und entschied mich danach für ein Studium an der Universität. Es wäre falsch zu behaupten, dass mein bisheriger Lebensweg durchweg reibungslos ablief. Jedoch kann ich mit Gewissheit sagen, dass die Probleme, mit denen ich konfrontiert war, bin und in Zukunft sein werde, nicht aufgrund meiner Hautfarbe auftreten. Diese Erkenntnis traf mich mit einer gewissen Wucht, auch wenn ich mich bereits vorher mit Postkolonialismus und rassistischen Strukturen in unserer heutigen Gesellschaft auseinandersetzte. Wann genau dieser Prozess bei mir einsetzte, vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Bereits in meinem Bachelorstudium, ich studierte Geschichte und Kunst- und Kulturgeschichte, vertiefte sich meine Auseinandersetzung mit postkolonialen Themenfeldern und mein persönliches Interesse daran, mich selbst in Form von kritischer Selbstreflexion und aktivem Handeln gegen rassistische Strukturen einzusetzen, stieg zunehmend. Mir wurde bewusst, wie weiß mein bisheriges Studium war, insbesondere die Vermittlung und Aufarbeitung von Kolonialgeschichte stießen mir negativ auf. Erst in meinem Masterstudiengang fand ich einen Raum zum kritischen Austausch mit anderen Studierenden, die ähnliche Erkenntnisse wie ich gemacht hatten.

Meine Motivation an Postcolonial Realities mitzuwirken setzt sich somit primär aus zwei Aspekten zusammen. Zunächst sehe ich hier eine Möglichkeit, mein angeborenes Privileg des Weißseins mit Menschen zu teilen, die von der Gesellschaft immer noch marginalisiert werden, deren Stimmen aber so maßgeblich und hörenswert sind. Der Blog soll eine Plattform darstellen, welche die Diversität unserer Gesellschaft in ihrer Gesamtheit abbildet. Somit erhoffe ich mir vielfältige Perspektiven auf den Diskurs um Rassismus und Postkolonialismus, Erzählungen von Schwarzen Menschen und PoCs, die lange überhört wurden und  nicht zuletzt einen kontinuierlichen Prozess der Weiterentwicklung auf meinem Weg zu einem antirassistischen Leben und Handeln. Zudem sehe ich das Projekt als Chance, den Diskurs aus den Universitäten und wissenschaftlichen Publikationen hinaus in die breite Öffentlichkeit zu tragen, an genau jene Orte, an denen Menschen als Gesellschaft täglich zusammenleben, sich austauschen und an denen sich letztendlich auch rassistische Strukturen verankert finden, welche es aufzubrechen gilt. Ich möchte an diesem Projekt wachsen, ich möchte zuhören und lernen, denn ich habe als weiße Frau die Option, mich nicht mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen, wenn ich nicht will. Ich habe mich jedoch dazu entschieden, weil es meine Verantwortung ist.


[1] Ist der Begriff der Volks- oder Völkerkunde zwar noch häufig in der Bezeichnung von ethnologischen Instituten und Einrichtungen zu finden, möchten wir uns doch von diesem distanzieren.

Lisa

„Sowohl im schulischen als auch im universitären Kontext spielt Rassismus in Form von epistemischer Gewalt eine Rolle. Das dort vermittelte Wissen wird als neutrales und objektives Wissen präsentiert obwohl nicht weiße Perspektiven meist nicht vorkommen bzw. bewusst ausgeblendet werden. Selbst in Fächern in denen es tatsächlich um „die Anderen“ geht: Afrikanistik, Lateinamerikanistik etc. stehen häufig eurozentristische, weiße Perspektiven im Vordergrund die dann angeblich neutrales Wissen abbilden. Besonders im universitären Kontext wird diese vermeintliche Objektivität von den Forschenden regelrecht eingefordert. Ausgeblendet wird dabei, dass natürlich auch Wissens- und Forschungspraktiken selbst in einem Zusammenhang mit politischer Gewalt, Macht und Herrschaftsverhältnissen stehen. Wissenschaft und Forschung sind niemals neutral.“ (Ogette 2020: Kap. 6. Teil 6. Minute #00:23)

Mein Name ist Lisa und ich studiere derzeit im Master Sozialwissenschaften: Konflikte in Politik und Gesellschaft an der Universität Augsburg.

Da allein dieser Satz ein Feld von Interpretationsmöglichkeiten gegenüber meiner Person eröffnen kann und sich bei der*dem ein oder anderen vielleicht bereits ein Bild zu mir als Mensch formt, möchte ich hier meine Perspektive darlegen und mich dementsprechend positionieren. Zur Hinführung an meinen Standpunkt und den Grundgedanken meiner Selbstpositionierung möchte ich daher einen kleinen Einblick in eine mögliche, dahinterstehende Theorie von Ramón Grosfoguel (2007) geben:

“The hegemonic Eurocentric paradigms that have informed western philosophy and sciences in the ‘modern/colonial capitalist/patriarchal world-system’ for the last 500 hundred years assume a universalistic, neutral, objective point of view.” (Grosfoguel 2007: 213)

In Verbindung zur vorangegangenen Aussage von Tupoka Ogette (2020) wird für mich hier ansatzweise das Ausmaß der „europäischen Expansion“ auf meine erlernte Auffassung von Wissen und Wahrheit deutlich.

Ramón Grosfoguels (2007) Ausführungen bedeuten für mich, dass ich als Person ganz individuelle (Lebens-)Erfahrungen mache und diese untrennbar mit meiner Wahrnehmung von Wirklichkeit und meiner damit einhergehenden Interpretation verbunden sind. Ich begreife mich also als Frau, Autorin, Forscherin – als Person immer eingebunden in meinen individuellen (Erfahrungs)Kontext, verortet in den geografischen, linguistischen, spirituellen und kategorialen Hierarchien des vorherrschenden Weltsystems. Deshalb ist es für mich die logische Konsequenz, auch allein diese, meine Perspektive wiederzugeben zu können, was eine Selbstpositionierung für mich unumgänglich macht, erhebe ich den Anspruch, meine Arbeit so transparent wie möglich gestalten zu wollen.

“By hiding the location of the subject of enunciation, European/Euro-American colonial expansion and domination was able to construct a hierarchy of superior and inferior knowledge and, thus, of superior and inferior people around the world.” (Grosfoguel 2007: 214)

Um mich als Autorin und Mitwirkende des Blogs nicht anonym hinter erlerntem Wissen, einer Theorie und/oder einem gewaltvoll gewachsenen Konstrukt zu verstecken und meine individuelle geo- und körperpolitische Verortung zentral in meine Arbeit einfließen zu lassen, soll meine Selbstpositionierung dienen: Die Wichtigkeit, meine individuelle Verortung deutlich zu machen liegt meiner Meinung nach nicht zuletzt in der Unmöglichkeit einer Entkopplung von meinem „locus of enunciation“ (Grosfoguel 2007: 213), der geo- und körperpolitischen Basis meiner subjektiven Perspektive und der darin gewachsenen Haltung begründet. Ich denke, spreche, handle und schreibe aus einer sozialisationsbedingt eurozentrisch geprägten Perspektive. Diese tritt unter anderem durch meinen deutschen Pass, welchen ich durch meine Geburt in Deutschland (Bayern) bekam, „sichtbar“ und wirkungsmächtig nach außen. Meine Perspektive ist geprägt von einer Vielzahl an Privilegien, welche sich mir mitunter durch die Verwobenheit der Kolonialen Matrix ergeben. Sichtbar ist auch meine weiße Haut, welche plakativ für eine Vielzahl meiner Privilegien steht. Ich begreife mich zu großen Teilen als Nutznießerin des gewaltvoll gewachsenen, globalen (Macht-)Systems. Ein erster Schritt für mich war, mir meiner Privilegien bewusst zu werden – auch hier befinde ich mich in einem stetigen Lernprozess – und den Versuch anzustellen, diese mit Bedacht „einzusetzen“.

Als Masterstudentin habe ich auf meinem, von Privilegien begleiteten Weg (z.B. gesicherte Schulbildung, (finanzielle Absicherung /zeitliche) Möglichkeit des Studiums, Wohnsituation, Zugehörigkeit zur „Mehrheitsgesellschaft“ u.v.m) nun unter anderem durch mein Mitwirken an diesem Blog die Möglichkeit, Menschen an meinem Lernprozess teilhaben zu lassen; Themen anzusprechen, die im Kanon westlich ideologisierter Wissensproduktion meiner Meinung nach (bewusst oder unbewusst) unterrepräsentiert sind; gemeinsam zu lernen und in einen Austausch zu treten um diese Plattform effektiv und kritisch mitzugestalten, in der Hoffnung zu mehr Sichtbarkeit, Offenheit, Sensibilität und Bewusstsein der hier aufgegriffenen Themen beizutragen.

Ich möchte mit Nachdruck betonen, dass meine Beiträge, meine Tätigkeit im Lektorat des Blogs, meine Arbeit hier ausschließlich meine weiße/akademische/weibliche/deutsch-europäische Perspektive auf das Thematisierte darlegt und mich klar von meiner erlernten Vorgehens- und Herangehensweise nach der Ideologie des westlichen Kanons der Wissensproduktion distanzieren um nicht „they“ zu reproduzieren: “[…] they produced studies about the subaltern rather than studies with and from a subaltern perspective” (Grosfoguel 2007: 211). Dies ist neben der Unvermeidbarkeit einer Reproduktion von Kolonialität bei einem solchen Vorgehen, wie faktisch, bezogen auf meine Selbstbeschreibung und -positionierung meiner Meinung nach schlichtweg unmöglich.

Was ich anbieten kann und möchte, ist meine persönliche Aufarbeitung, mit welcher ich versuche, mich, mein Handeln und Denken stets selbstkritisch in Bezug auf eine Reproduktion von Kolonialität hin zu hinterfragen. Um auf Tupoka Ogette (2020) zu verweisen steckt darin auch ein Teil meiner Aufarbeitung meines Auszugs aus „Happyland“, dem bequemen Unwissen. Für mich wichtig anzumerken ist zudem, dass ich meinen (selbst-)kritischen Lernprozess nicht allein begehen kann, weswegen ich stets dankbar für konstruktive Kritik, Anmerkungen und Kommentare zu diesem Prozess und meinen Beiträgen bin.

Herzlich, offen und in gespannter Neugier

Lisa

Literatur:

Grosfoguel, Ramón (2007): THE EPISTEMIC DECOLONIAL TURN, Cultural Studies, 21:2-3. London: Routledge. S. 211-223.
Ogette, Tupoka (2020): exit RACISM – rassismuskritisch denken lernen. Gelesen von der Autorin. 6. Auflage. Berlin: Struck & Tatze

Rhea

In einer Hauptseminararbeit vor drei Jahren habe ich über eine äthiopische ‚Völkerschau‘ von 1909 geschrieben. Zur zeitlichen Einordnung sei angemerkt, dass diese ‚Völkerschauen‘ Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts abgehandelt wurden. Dort sollten als ‚(Natur-) Völker‘ bezeichnete Gruppen von Menschen aus kolonialisierten Teilen der Welt im Europa der Kolonisator*innen ‚präsentiert‘ werden und dabei die idealisierte, als Norm definierte, Sichtweise des ‚zivilisierten‘ Europas im Gegensatz zum ‚primitiven‘ Kolonialgebiet gefestigt werden. Dafür wurde bewusst eine Andersartigkeit dieser Gruppen inszeniert, es wurde ein Unterschied gezogen zwischen dem europäischen bzw. ‚westlichen‘ ‚Wir‘ und dem kolonialisierten, ‚primitiven‘ ‚Anderen‘. Eine solche Darstellung von Menschen aus verschiedenen Teilen Afrikas als ‚primitiv‘ hat es in Bezug auf Menschen aus Europa nicht gegeben. So wie in der von mir untersuchten äthiopischen Völkerschau werden in der ‚westlichen Welt‘ auch heute noch Menschen als ‚anders‘ wahrgenommen, welche nicht dem westlichen Idealbild und somit der vorherrschenden Norm entsprechen. Dabei wurde und wird, wie Anibal Quijano[1] darstellt, insbesondere nach Hautfarbe hierarchisiert, wonach Weißsein als Ideal galt und gilt. Diese Hierarchisierung entspringt ebenso dem kolonialen Bild einer ‚primitiven‘ kolonisierten Welt der POC und den ‚zivilisierten‘, weißen Kolonisator*innen, wonach eine Unterordnung der POC durch die Kolonisator*innen erfolgte. Es bestand und besteht also nicht nur die Kategorisierung nach ‚zivilisiert‘ und ‚primitiv‘, sondern u.a. auch eine Hierarchisierung aufgrund von Hautfarben. Dabei exisitiert gemäß Noah Sow eine Tendenz in Deutschland, jene als ‚afrikanisch‘ einzuordnen, welche Schwarz sind, lediglich aufgrund der Hautfarbe.[2] Damit werden Schwarze mit dem ‚westlichen‘ Konstrukt ‚Primitivität‘ in Verbindung gebracht. In Bezug auf das Konstrukt ‚Primitivität‘ und der Auslebungsformen bestehen sogar heute noch teilweise die gleichen Vorstellungen[3] wie Anfang des 20. Jahrhunderts, wie bspw. dass der Wohnraum der Menschen des ‚Globalen Südens‘ nicht dem Standard des ‚zivilisierten‘ ‚Westens‘ entspräche. Zudem wird genau solch ein Wohnraum, welcher nicht dem vom Westen definierten Standard gleicht, als ‚primitiv‘ bewertet.

Dass bei der Vorstellung über den ‚Globalen Norden‘ im Gegensatz zum ‚Globalen Süden‘ der Unterschied zwischen ‚zivilisiert‘ und ‚primitiv‘ produziert wird, zeigt deutlich, dass mir schon im Vornherein ein anderes Selbstbild vermittelt wird. Ich bin nämlich weiß und damit wird mir häufig immer noch das Attribut ‚zivilisiert‘ zugeschrieben. Dadurch wird für mich deutlich, dass die kolonialen Strukturen beständig reproduziert werden. Diese Ungleichbehandlung und damit auch eine unterschiedliche Selbstwahrnehmung sind ein großes Problem, welches durch postkoloniale Strukturen, wie z.B. aus dem Kolonialismus stammenden Stereotypen, weitergetragen wird. Dass ich dagegen angehen möchte, ist eine logische Schlussfolgerung. Doch nicht nur in aktivistischer Hinsicht habe ich den Drang nach Veränderung, sondern auch in wissenschaftlicher. Als Studentin der Kunst-und Kulturgeschichte, mit Schwerpunkt in der Europäischen Ethnologie/Volkskunde, beschäftige ich mich auch im universitären Kontext mit der Thematik des Postkolonialismus und Rassismus. Dabei analysiere ich bestehendes postkoloniales Verhalten und Gedankengut. Mit den Ergebnissen meiner Untersuchungen erhoffe ich mir schließlich, dass sowohl ich als auch Andere reflektiert durch das Leben gehen können und bestehende Privilegien erkannt werden. Für mich bedeutet diese Arbeit nämlich eigenständig zu denken und nicht nur im Rahmen der gesellschaftlichen Vorstellungen zu handeln. Mithilfe des Blogs ‚Postcolonial realities‘ möchte ich auch Anderen die Möglichkeit geben, ihre Stimme zu erheben, welche genauso wie ich, selbstständig denken möchten.


[1] Anibal Quijano: Coloniality of Power, Eurocentrism, and Latin America. In: Nepantla. Views from South, 1 (2000), S. 533, 542.

[2] Dabei ist anzumerken, dass vor allem Schwarze Menschen mit Afrika in Verbindung gebracht werden, deren Hautfarbe als ‚richtig‘ Schwarz angesehen wird. Hier findet sich also noch einmal eine eurozentrische Einstufung, wer ‚wirklich‘ Schwarz ist und wer nicht. Vgl. Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Norderstedt 201810, S. 62-63.

[3] Diese Vorstellungen könnten ebenso als ‚Klischees‘ oder ‚Vorurteile‘ bezeichnet werden, da sie aus eurozentrischer Perspektive auf den ‚Globalen Süden‘ stammen und demnach ein Konstrukt sind, welches nicht den eigentlichen Gegebenheiten entspricht.

Kathrin

Ich bin weiß.

Ich bin weiblich.

Ich bin Akademikerin.

Ich bin deutsch.

Ich bin Europäerin.

All diese Eigenschaften beeinflussen meine Sicht auf die Welt. Eine Welt, die den Kolonialismus immer noch nicht vollständig überwunden hat und weiterhin Unterschiede zwischen (ehemaligen) Kolonisatoren und (ehemaligen) Kolonisierten reproduziert.  Indem ich mit und in dieser Welt(anschauung) aufgewachsen bin, habe ich gelernt, dass ich als Weiße/Deutsche/Europäerin die Hauptattribute der Mehrheitsgesellschaft aufweise und somit gewissermaßen die Norm verkörpere, an der sich alle orientieren. Erst durch mein Master-Studium in Anwendungsorientierter Interkultureller Sprachwissenschaft an der Universität Augsburg, genauer gesagt durch ein Modul zum Thema Postkolonialismus, wurde mir klar, wie eurozentristisch mein bisheriges Weltbild war und welche aus dem Kolonialismus entstammenden Ideologien ich bis dato einfach übernommen hatte. Ich erkannte die Privilegien, die sich daraus für mich ergeben, und die ich bis dahin nicht als solche erkannt, sondern einfach als ‚naturgegeben‘ hingenommen hatte. Das Privileg, keinen rassistischen Übergriffen ausgesetzt zu sein; das Privileg, meinen Namen nicht buchstabieren zu müssen; das Privileg, zu Vorstellungsgesprächen und Wohnungsbesichtigungen eingeladen zu werden; das Privileg, das ‚hautfarbene‘ Artikel mit meiner Hautfarbe korrespondieren; das Privileg, mich in Film und Fernsehen repräsentiert zu sehen… Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Nun ist laut Volksmund Selbsterkenntnis zwar der erste Schritt zur Besserung, aber eben nur der erste. Um meine Erkenntnis, die ja selbst noch am Anfang steht, weiterzutragen, möchte ich an diesem Blog mitarbeiten. Ich erhoffe mir, dabei selbst noch dazuzulernen, aber auch viele andere für das Thema zu sensibilisieren, so dass hoffentlich in nicht all zu ferner Zukunft der Kolonialismus endgültig Geschichte sein wird.  

Katharina

Liebe Leser*innen, mein Name ist Katharina Taxis und ich bin momentan Masterstudentin der Kunst- und Kulturgeschichte sowie Fachdidaktischer Vermittlungswissenschaften an der Universität Augsburg. Oft werde ich gefragt, was ich später mal damit genau machen will. Eine mögliche Antwort darauf war seit der ersten Sekunde meines Bachelorstudiums und ist bis heute: Ich möchte im Museum arbeiten. Die Institution Museum hat mich, als Archiv von Kunst- und Kulturobjekten, als gesellschaftlicher Wissensspeicher, als Spiegel der Geschichte und Gegenwart einer diversen Gesellschaft, fasziniert.

Während ich anfing mich mit Provenienzforschung, also der Erforschung der Herkunft von Objekten bis in die Gegenwart, zu beschäftigen, begann ich auch Sammlungsbestände und Ausstellungspraktiken von Museen kritisch zu hinterfragen. Welche Kunst- und Kulturobjekte wurden wie erworben und gesammelt? Wer wird im Museum (re)präsentiert? Um es in Mark Terkessidis Worten zu sagen: „Wessen Erinnerung zählt?“ Ich stellte mir nun die Frage nach den heutigen Aufgaben von Museen.

Ich bin eine weiße Frau, in Deutschland geboren und aufgewachsen. Mein Weißsein führt das Privileg mit sich, dass ich mich nicht zwangsläufig mit Diskriminierung auseinandersetzen musste, beziehungsweise mir jahrelang nicht auffiel, dass viele Museen keine postkolonialen, antidiskriminierenden und antirassistischen Perspektiven zeigen, wenn nicht gar asymmetrische Machtverhältnisse (re)produzieren. Es kamen Fragen nach gesellschaftlichen Aufgaben und Funktionen, nach historischer Verantwortung und gegenwärtiger Identität von Museen auf. Fragen, die ich mir auch als Person stelle. In diesem Prozess formte sich ein persönliches Interesse: aktiver Einsatz gegen rassistische, (post)koloniale und eurozentrische Strukturen und Perspektiven – angefangen bei mir selbst. Ich habe in meinem Studium Menschen getroffen, mit denen ich mich darüber austauschen kann und die mit mir zusammen ‚Happyland’, wie die Antirassismustrainerin Tupoka Ogette den Zustand nennt, in dem weiße Menschen leben, bevor sie sich aktiv und bewusst mit Rassismus beschäftigen, verlassen möchten. Ich möchte für meine Privilegien Verantwortung übernehmen und diese nutzen, um an Postcolonial Realities mitzuwirken. Mein Wunsch ist eine Plattform des kritischen Austausches, Gedankenanstoßes, voneinander Lernens und Zuhörens von Menschen, die in unserer Gesellschaft marginalisiert werden.

The foundational structures of knowledge of the Westernized university are simultaneously epistemically racist and sexist.

― Ramon Grosfoguel

When I read texts, for example, I frequently have to orientate myself to a text world in which the centre of academic knowledge is either in Britain, the United States or Western Europe; in which words such as ‘we’, ‘us’, ‘our’, ‘I’ actually exclude me.

― Linda Tuhiwai Smith

Postcolonial thought demonstrates that colonialism itself was a global experience which contributed to the universalization of representations.

Achille Mbembe


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