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“Was es für uns bedeutet, eine Stimme zu haben…”

Gedanken zur Bundestagswahl 2021

Eine Stimme als Wähler*in staatlich reguliert zugesprochen zu bekommen, gehöre zu den grundlegenden und unverzichtbaren Prinzipien jedes freiheitlich demokratischen Rechtsstaates, wie es auf der Website des “Bundeswahlleiters” heißt. Die Repräsentant*innen der (Staats)Bürger*innen seien eine Vertretung, die aus Wahlen hervorgeht und auch wieder durch Wahlen abgelöst wird. “Der permanente Prozess der Meinungs- und Willensbildung der Staatsbürger[*innen] mündet ein in den Akt der Wahl der Volksvertretung als dem wichtigsten Mitwirkungsrecht in der Demokratie.” (Der Bundeswahlleiter 2021)

Die Bundestagswahl 2021 steht vor der Tür: Am Sonntag, 26. September ist es soweit. Wir, Annika, Lisa und Kathrin von Postcolonial Realities möchten unsere Gedanken teilen, warum es für uns unabdingbar ist, wählen zu gehen.

“Es macht doch sowieso keinen Unterschied, ob ich wählen gehe oder nicht.” Wie eine abgedroschene Stammtischparole betäubt diese Aussage oft fruchtbare Diskussionen zur Bundestagswahl. Wählen gehen scheint zur Ja/Nein-Frage zu verkommen. Unsere komplexe Welt ist damit aber bei Weitem nicht bedient.

Initiativen wie #Wahlboykott21 rufen etwa zur Ächtung der Wahl auf – als Zeichen „der Ablehnung und des Widerstandes gegen die herrschende Ordnung“. Wirkliche Veränderungen würden nicht in den Parlamenten, sondern auf der Straße beschlossen. Ja, es ist wahr, dass wir das System durch diese Wahlen nicht ändern werden: Der Kapitalismus – für diese Vorhersage müssen wir uns nicht besonders weit aus dem Fenster lehnen – wird diese Wahl überdauern. Strukturellen Rassismus schafft keine Regierung, selbst wenn sie dazu gewillt ist, innerhalb einer Legislaturperiode ab. Und selbst wenn Klimapolitik in Zukunft eine größere Rolle spielen wird – wir können die Klimakrise und Biodiversitätsverluste nicht ungeschehen machen.

Aber wir* können MITENTSCHEIDEN und MITBESTIMMEN! Darüber, wie schlimm es noch werden soll. Wie stark Menschen unter den Folgen leiden werden. Wie viel Unterstützung sie dabei erfahren werden. Wie viel Raum rassistische Parolen einnehmen werden können, mit wie viel Nachdruck rechte Gewalt verfolgt wird, inwiefern und wie weit Strukturen aufgebrochen werden, ob Deutschland in Zukunft inklusiver, solidarischer und gerechter sein kann – über all das und noch viel mehr wird diese Wahl – und wirst DU mit DEINER STIMME – (mit)entscheiden. Dies gilt auch, wenn du dich dazu entschließt, deine Stimme nicht zu nutzen und nicht wählen zu gehen.

Die zur Ja/Nein-Frage verkommene Positionierung zur Stimmabgabe an der Bundestagswahl 2021 ist nicht nur Resultat einer Gesellschaft, die “aus den Vollen schöpft”. “Wählen – ja oder nein?” – sich diese Frage stellen zu können, ist auch Ausdruck einer äußerst privilegierten Situation: weil die vorherrschenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Lebensumstände privilegierter (Nicht-)Wähler*innen bekräftigen und deren unbeschwerte Bequemlichkeit bestärken. “Ist doch alles gar nicht so schlimm.” Die Entscheidung, nicht wählen zu gehen, ist  dominantes Festhalten an und Bekundung der eigenen, privilegierten Position im vorherrschenden System!

Dies hat Folgen für dich, mich, uns, das Leben aller und einzelner Menschen in Deutschland. Und um diese Leben muss es gehen, sollte es doch immer gehen!? Wer kann sich wie und wo öffentlich äußern? Wem wird zugehört – und geglaubt? Wer hat – in Anlehnung an Gayatri Spivak – eine Stimme? Diese Fragen sind auch heute aktuell und gerade zur Bundestagswahl greifbare Praxis. 

Auf Twitter beispielsweise ruft @zuherjazmati regelmäßig dazu auf, solidarisch mit Menschen zu wählen, die nicht Teil der Mehrheitsgesellschaft sind, deren Perspektiven in politischen Diskussionen oft ungehört bleiben, die von Diskriminierung und/oder Gewalt betroffen sind. Wenn in einigen Tagen die Wahlkabinen öffnen, sollten wir* als “zur-Wahl-Berechtigte” also an Menschen denken, die diese “Berechtigung” nicht besitzen. Und auch an Menschen, die zwar wahlberechtigt sind, aber außerhalb der Dominanzgesellschaft stehen. An Geflüchtete, an queere Menschen, an jene, die von rechter, rassistischer, antisemitischer Gewalt betroffen sind, wie @zuherjazmati deutlich macht. Und auch an Menschen, die sich fragen, wie ihr Aufwachsen und Leben in einer Welt aussehen wird, die aus den Fugen geraten ist. Es liegt in unserer* Verantwortung, solidarisch mit und für Marginalisierte, für Menschen, die nicht repräsentiert, nicht gehört oder gesehen werden, für Menschen, welchen der (wissensbasierte) Zugang zur Wahl fehlt oder verwehrt wird, zu wählen. Um das ohrenbetäubende Dröhnen eines patriarchal-kapitalistischen Egos etwas leiser werden zu lassen.

Deshalb: Geht wählen und wählt solidarisch!


*Menschen über 18 Jahre mit deutscher Staatsbürgerschaft

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